Knochenberg
Auf Mutters Grab sass ich
die ganze Nacht
sie wird noch tausend Mal sterben
in meinen Träumen
die Erde unter mir birgt
die Gebeine meiner Vorfahren
scheint ein einziges grosses Grab
ein Sammelbecken abgelegter Leben
Auf einem hohen
aus Schädeln und Knochen
geschichteten Hügel
sass ich
blass, mondhell
der Knochenberg
der sich in einen Alpengipfel
verwandelte
klein wurde ich
ein Gnom im Inneren des Gesteins
ein Kenner der von Kristallen
funkelnden Höhlen
geblendet vom Licht
in den unterirdischen Kammern
die kein Sonnenstrahl erreicht
kein Mensch betritt
Dass der karge Fels solche Fülle umhüllt
den Grossen unzugänglich
die sich nicht durch den
engen Schacht zwängen können
wie oft vergesse ich es
von der stumpfen Farbe des Berges getäuscht
der sein Strahlen den Draussengebliebenen
vorenthält
5. 11. 2004
hinein 1, S.53
Schamanentanz
Brillanten
in einem graublau
mondfarbenen Fell
versprühen Funken
Das Sternenmeer
durchwandere ich
auf dem wattigen Hügel
vor mir
Die Weite des Himmels
der Pelz
in den meine Füsse
sinken
hinein 2, S. 31
Andere Blumen
Anders blühen die Blumen
diesen Winter -
zarte Blütenblätter
in schwerem Öl,
die Farben quellen auf,
werfen Wellen, pastos,
breite Pinselstriche
explodieren -
durch das Tor der Blüte hindurch
siehst du
das Unsichtbare dahinter,
den Tanz der Elementarteilchen,
dieses Flimmern
vor und zwischen den Formen.
Trunkene Pinselhiebe,
die feuchte Farbe
atmet -.
Ohne Rücksicht auf Schönheit
gemalte Tafeln,
erregend zuckt
bewegte Farbe,
flammt Helles auf
aus dem tiefen Schwarz
einer Lilie.
Manches Blatt zittert,
schein zu fallen -
bald. -
Nass schimmernde Farbe
über früheren Entwürfen,
Verkrustungen älterer Schichten
stehen gelassen,
Erhebungen aus dem Hintergrund,
die Leinwände picklig,
verschont,
die Blumen flüchtig
hingeworfen -
Ekstase und Tanz
in der Wahrnehmung
ihrer Pracht,
in der sich blutschwer
das kurz bevorstehende
rasche Welken ankündigt,
Leidenschaft und Tod,
dem Augenblick entrissen,
ruhelos
auf den Malgrund gebannt,
bebend.
hinein 4, S.8